Staatstrojaner

Freitag, 11.06.2021

Mirko Matytschak

Den Strafverfolgungsbehörden und allen Geheimdiensten in Deutschland soll es erlaubt sein, zu Ermittlungszwecken mit Hilfe eines sogenannten Staatstrojaners Computer zu hacken und somit Kommunikation mitzuhören, die normalerweise verschlüsselt über das Internet übertragen wird. Das ist eine sehr schlechte Idee.

Seit Jahrzehnten werden die Befugnisse der Polizei, des BKA und der Geheimdienste ausgeweitet. Kaum ist eine Welle der Erweiterungen realisiert, tauchen schon die nächsten Politiker vornehmlich von der Union auf, die eine große Gefährdungslage heraufbeschwören, um die Befugnisse noch weiter auszuweiten. Gegenwärtig haben wir damit einen Stand erreicht, bei dem die Möglichkeiten der Kontrolle, der Videoüberwachung und des Abhörens der Bevölkerung die Möglichkeiten der STASI bei weitem übersteigen. Aber das scheint offensichtlich niemanden zu stören. Denn diese Möglichkeiten werden ja von den richtigen Leuten, von den "good Guys" verwendet.

Man könnte nun argumentieren, dass es möglicherweise Sinn macht, wenn das BKA auf richterliche Anordnung einen solchen Eingriff vornehmen könnte. Das ganze könnte man dokumentieren und es entstünde dadurch eine Art Transparenz, die von der Öffentlichkeit wiederum kontrolliert werden kann. Im Fall eines Missbrauchs stünde dann der Rechtsweg zur Verfügung.

Schaffen Sicherheitsrisiken Sicherheit?

Das ist bereits Stand der Dinge und es bräuchte keine weiteren Maßnahmen, um diesen Stand zu erhalten. Doch auch dieser Stand ist eigentlich argumentativ nicht zu halten. Staatstrojaner können nur deshalb auf den Systemen der überwachten Personen installiert werden, weil dafür Sicherheitsschwächen des Betriebssystems ausgenutzt werden. Die Geheimdienste und ihre Zulieferer halten diese Schwächen vor den Entwicklern der Betriebssysteme geheim.

Aber: wenn ein deutscher Entwickler eine Schwäche entdecken kann, kann es auch ein russischer oder chinesischer. Das scheint man dabei wissentlich in Kauf zu nehmen und damit ein Sicherheitsrisiko in ungeahntem Ausmaß zu produzieren.

Auch die Idee, dass man Hersteller verpflichten könnte, sogenannte Backdoors in ihre Systeme einzubauen, sodass man ohne Sicherheitsschwächen in ein System eindringen kann, ist Unsinn, weil sie ein Widerspruch in sich selbst ist. Eine Backdoor ist eine Sicherheitsschwäche, die natürlich nicht nur von den "Guten" verwendet wird.

Nun also sollen auch die Geheimdienste aus diesem Trog fressen dürfen. Nicht dass sie das nicht schon lange tun. Es ist nicht erlaubt, aber wegen der Geheimhaltung der Aktivitäten der Geheimdienste entziehen sich dieselben komplett der Kontrolle. Sie können tun, was sie wollen, ohne dass sich jemand daran stören könnte. Sie brauchen sich auch nicht davor zu fürchten, dass Mitarbeiter eine verbotene Praxis eines Tages öffentlich machen. Was dann passiert, können wir uns sehr gut an den Fällen Snowden, Assange und Manning ansehen. Dann ist man nämlich wegen Geheimnisverrats dran.

Diese schon lange genutzte Praxis, dass Systeme von überwachten Personen gehackt werden, soll jetzt nachträglich legitimiert werden. Damit hat alles seine Ordnung.

In welchen Händen liegt die Überwachung?

Wenn die Politik also kein Problem damit hat, die Behörden mit solchen Befugnissen auszustatten, dann hat sie doch sicher dafür gesorgt, dass dort nur die "Guten" arbeiten, die Demokratiefreunde vom SEK, die Eliteeinheiten zur Rettung vor Terroristen (KSK). Wohin wir schauen, finden wir rechtsextreme Umtriebe bei der Polizei, beim Militär und – weniger kontrollierbar – bei den Geheimdiensten. Hier ein Fall aus dem Verteidigungsministerium.

Wir wissen, dass es offene Drohungen von AfD-Politikern gab, im Fall eines Wahlsiegs die Möglichkeiten der Strafverfolgungsbehörden zu nutzen, um sich der Linken zu entledigen. (Ich finde gerade die Quelle nicht. Könnt Ihr mir helfen?)

Woher nimmt die Union – und ihre Handlanger von der SPD – die Sicherheit, dass rechtsextreme Kreise in der Polizei und in den Geheimdiensten sich mit Hilfe der unkontrollierbaren Befugnisse nicht gegen die Union selbst richten?

Es gibt für mich eigentlich nur eine plausible Erklärung für diese Blauäugigkeit: Möglicherweise ist die Gesinnung dann doch zu ähnlich, als dass die Union tatsächlich etwas zu befürchten hat.

Der Rest der Bevölkerung aber darf sich warm anziehen.

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