Plan B ist Scheiße

Freitag, 26.02.2016

Mirko Matytschak

Es gibt nur wenige Gelegenheiten im Leben für mich, mit Herrn Gabriel einer Meinung zu sein. Aber er hat recht: Plan B ist Scheiße. Ganz einfach weil es kein Plan, sondern Schwachsinn ist.

Siehe das Update vom 01.03.

Ich habe das an dieser Stelle bereits hinlänglich dargestellt. Hinlänglich heißt, dass man sich einmal anhand einer Landkarte veranschaulicht, wo Europa und wo Syrien liegt. Mehr braucht es nicht, um zu verstehen, dass die 28 EU-Staaten gefordert sind,

  • die Flüchtlinge aufzunehmen und aufzuteilen sowie
  • mit Vehemenz bei den Kriegsparteien – allen voran die USA und Russland – auf eine Einstellung ihrer Stellvertreterkriege zu dringen, notfalls unter Androhung von Sanktionen.

Hilfreich wären auch Äußerungen auf der Bundespressekonferenz, die sich inhaltlich von den Ähs und Hmms ein wenig absetzen und nur ein kleines bisschen eines Ansatzes zeigen, dass unsere Regierung zu einer Einschätzung der globalen politischen Lage fähig ist.

Über den EU-Tellerrand hinausschauen

Als nächstes darf man nicht vergessen, über den europäischen Tellerrand hinauszuschauen. Die Verhältnisse in Griechenland sind schlimm genug. Aber die Türkei bekommt am meisten von der Malaise ab. Interessant ist, dass die Türken noch nicht einmal besonders laut darüber klagen. Es sind mindestens 2 Mio Flüchtlinge in Lagern im Land. Darüber hinaus versucht die Türkei, Lager auf syrischem Gebiet zu einzurichten.

3 Milliarden EUR sollen an die Türkei fließen, für die "Eindämmung" des Flüchtlingsstroms (der dann in der Türkei hängenbleibt) und für die Rücknahme von Flüchtlingen, die bei uns keine Chance auf Aufnahme haben.

Die zwei Millionen Flüchtlinge in türkischen Lagern sparen der EU auf der anderen Seite ca. 18 Milliarden EUR, geht man einmal von den geschätzten Kosten von 9 Milliarden für die Aufnahme und Integration der 1,1 Millionen Flüchtlinge aus, die 2015 nach Deutschland gekommen sind. Das sind nur grobe Schätzungen, aber die Tendenz ist klar: Die EU spart sich eine Menge Geld und politischen Ärger, wenn sie der Türkei das Geld gibt. Wie die Türkei mit so wenig Geld so viele Flüchtlinge beherbergen kann, lässt sich leicht ausmalen.

Aber noch nicht einmal diese Summe lässt sich in Europa auftreiben.

Und der Regierungskurs?

Hier beginne ich zu verstehen, was Frau Merkel unter einer "privilegierten Partnerschaft" versteht. Nämlich das Verhältnis zu einem Verbündeten in der Nähe Europas, der sich nicht an die europäischen Maßstäbe für den Umgang mit Menschen halten muss. Und das tut die Türkei in keinerlei Hinsicht.

Darüber hinaus darf man nicht übersehen, dass nebst den USA und Russland die Türkei in Syrien an zwei Fronten beteiligt ist: Gegen Assad und gegen die Kurden. Man könnte es jetzt so sehen: Die Türkei ist der einzige Mitverursacher des Problems, der einen nennenswerten Teil der Folgen auffängt.

Spätestens an dieser Stelle versteht man, dass der Herr Jung sich nicht einfach nur einen Jux mit der Bundespressekonferenz erlaubt, wenn er fragt, wen die Bundeswehr in Syrien eigentlich genau bekämpft, sondern ein Recht einfordert, das eigentlich selbstverständlich sein sollte: Dass uns die Bundesregierung erklärt, an welcher Front sie kämpft und aus welchen taktischen Erwägungen heraus sie in Kauf nimmt, dass das Flüchtlingsproblem verschärft wird.

Zwei Akte der Dummheit

Kehren wir zurück zur Türkei: Es ist ein ausgesprochener Akt der Dummheit, dass die EU noch nicht einmal in der Lage ist, die 3 Milliarden für die Türkei aufzubringen.

Ein weiterer Akt der Dummheit wird nun von Österreich mit der Schließung der Grenzen begangen (siehe Thema "Landkarte"). Diese Dummheit Österreichs könnte uns unter Umständen davor bewahren, die gleiche Dummheit zu begehen, die bei uns Obergrenze heißt. Die Folgen der österreichischen Grenzschließungen werden nämlich schon in wenigen Tagen so eskalieren, dass wieder einmal Notmaßnahmen ergriffen werden müssen, die bei Herrn Seehofer einmal mehr akute Kontrollverlustängste auslösen dürften.

Aber das hat man davon, wenn man der Bevölkerung populistische Dummheiten als politische Lösungen verkaufen will. Herr Seehofer hätte jetzt die Chance, ganz sachte und unauffällig von der Obergrenze und seiner Klageandrohung abzurücken, während die Welt fassungslos auf die Dummheit Österreichs und deren Folgen starrt.

Update

Was passiert, wenn Länder die Grenzen schließen? Richtig: Ein Rückstau. Das war ja nun überhaupt nicht vorherzusehen. Zitat:

In Griechenland sitzen [...] inzwischen nach Angaben aus Athen 22.000 Menschen fest. Bis März könnten es 70.000 werden, warnte die Regierung bei einer Krisensitzung und öffnete eine Baseball-Arena in Athen, um dort 2000 Flüchtlinge unterzubringen.

In Österreich gibt es eine Innenministerin Johanna Mikl-Leitner, die jede Kritik an der Schließung der Grenzen als "absurd" zurückweist:

Wien müsse sich keinen Vorwurf gefallen lassen – von keiner Seite.

Doch, muss sie. Es ist nicht "Wien", es ist ihre erbärmliche Politik und die ihrer Kollegen, wie dem Verteidigungsminister Doskozil, der sagt: Wenn Merkel keine Flüchtlings-Obergrenze haben wolle, solle sie doch die Flüchtlinge direkt aus Griechenland holen.

Das alles ist, ebenso wie Seehofers Obergrenze und die "Enttäuschung" darüber, dass Frau Merkel bei Anne Will nichts Neues zu sagen hatte, keine Dummheit. Nein, es sieht nur danach aus.

Es ist eine Argumentation, die auf die Dummheit der Menschen spekuliert, die mit ihren Stammtischmeinungen eine Politik der unterlassenen Hilfeleistung unterstützen sollen, die einmal mehr die Todesraten der Flüchtlinge nach oben treiben wird. Lasst Euch nicht zu nützlichen Idioten machen!

 

 

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