Die Rettung des Krieges
Sonntag, 23.02.2025
Kommen wir zur Zusammenfassung der neuesten Nachrichten. Sorry, liebe Medien, das Rennen hat auch diese Woche n-tv gemacht. Diesmal geht es darum, wie sich Europa im Rennen um geostrategische Bedeutung selbst aufs Abstellgleis geschoben hat – nach einer aufregenden Reise durch Absurdistan.
Donald Trump hat aufs Blech gehauen: Er will den Ukrainekrieg beenden. Nicht, weil er damit eine tiefere Bedeutung verbinden würde, er tut es einfach nur, weil er es kann. Oder glaubt, es zu können, was bei Narzissten aufs Gleiche rauskommt. Sein Konzept ist einfach, aber in seiner Einfachheit dem gegenwärtigen Status Quo der Weltpolitik angemessen: Er tritt Putin und Selensky jeweils vors Schienbein und sagt: Wenn wir nächste Woche keinen Deal haben, dann trete ich nochmal und dann tut es erst richtig weh.
Und das scheint zumindest in Kiew die Bereitschaft auszulösen, einmal nachzudenken – was ja mindestens seit Selenskys Machtantritt nicht mehr geschehen ist:
Putins Standpunkt in der Angelegenheit ist nicht erst seit dem Kriegseintritt vor genau drei Jahren klar: „Ihr gebt uns den Streifen Land im Osten, wo eh die ganzen Janukowitsch-Wähler wohnen, und ihr könnt dann gerne der EU beitreten, oder was sonst Euer Land am schnellsten ruiniert“.
Die Aussicht, dass tatsächlich ein Dreiecksdeal zwischen den USA, Russland und der Ukraine entstehen könnte, der den USA alle Vorteile und Europa den Platz auf dem Abstellgleis bescheren würde, ist erschreckend, vor allem dann, wenn dadurch tatsächlich der Krieg beendet sein würde. Also beeilt sich der Herr Macron, in die USA zu reisen, um zu retten, was zu retten ist:
Aber Moment mal: Wenn Macron erfolgreich wäre, würde das nicht den Krieg verlängern? Warum würde jemand so etwas wollen? Die Antwort ist so einfach wie banal:
Ich möchte vermeiden, dass der Eindruck entsteht, die Banalität dieser Aussage würde mich in die Nähe von Populisten rücken, die mit einfachen Formeln die Weltpolitik erklären, die in Wirklichkeit viel komplizierter ist. Daher muss ich an dieser Stelle kurz ausholen.
Wir hatten nach dem Fall des Eisernen Vorhangs eine Situation, in der es absurd erschien, dass westliche Länder 2% ihres BIP für Rüstung ausgeben sollten. Ich habe mich übrigens an anderer Stelle darüber ausgelassen, dass das BIP kein Geld ist, das wir einfach ausgeben können. 2019 waren 2% des BIP ca. 20% des Bundeshaushalts. Mit der Summe von 5%, die jetzt manche Politiker in den Raum werfen1, würden wir ungefähr die Hälfte des gesamten Bundeshaushalts für Rüstung ausgeben. Ihr könnt davon ausgehen, dass die Verhältnisse heute ähnlich sind, wie 2019, weil es einen gewissen Zusammenhang zwischen dem BIP und dem Haushalt gibt: Mehr BIP, mehr Steuereinnahmen, größerer Haushalt – und umgekehrt.
Die NATO, die Mitte/Ende der 1990er Jahre als eher überflüssig erschien – vor allem dann, wenn man Russland ins Bündnis aufgenommen hätte – ist ein Apparat, in dem eine Menge Politiker, Militärexperten und Rüstungslobbyisten ihr Auskommen fristen. Um es kurz zu sagen: Ohne Bedrohung kein Geld. Und dieser Personenkreis stellt die Experten, wenn es um die Frage geht, ob es eine Bedrohung gibt, und welche das ist. Dieser Apparat hat engste Beziehungen zu den Waffenherstellern, die ebenfalls an der Bedrohungslage verdienen: Je konkreter die Kriegsgefahr, umso besser wird verdient.
Ihr müsst das zur Gänze verstehen: Diese Leute wollen, dass Europa am Rand eines Krieges steht. Das sichert ihren Job, damit verdienen die ihre Brötchen. Natürlich hat auch Russland Militärs und Rüstungsfirmen, die dasselbe Interesse haben. Das macht die ganze Situation so undurchsichtig und damit gefährlich. Man weiß nie, wann irgendjemand bei der Erzeugung von Bedrohungslagen zu hoch pokert.
Trump und die NATO
Und was ist jetzt Trumps Rolle in dem Spiel? Trump zeigt auf, dass es einen Unterschied zwischen den Interessen der USA und den Interessen der NATO gibt. Das muss man erst einmal verdauen, vor allem, wenn man sich als friedensbewegter Mensch an die Deckungsgleichheit dieser Interessen gewöhnt hat.
Trump ist kein Gegner der NATO. Das zu glauben, wäre immens naiv. Trump ist nur dagegen, dass die USA ihre Rolle als Weltpolizist selbst bezahlen. Er möchte, dass andere Länder die Erhaltung der Vormachtstellung der USA bezahlen.
Und seine Rechnung geht auf: In Europa wird aufgerüstet wie noch nie zuvor in der Geschichte. Dazu kauft man Waffen vor allem aus den USA. Man kann sich nicht mehr auf die USA verlassen und schiebt deshalb eine Menge Kohle in die USA. Ich denke, dass das einer der Gründe ist, warum mehr als die Hälfte der Bürger in den USA Trump gewählt haben, ganz nach dem Motto: America first!!!2
Update 26.02.2025: Diese Überschrift wollte ich Euch nicht vorenthalten. Die passt in diesen Beitrag wie Arsch auf Eimer:
Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Eine Lösung ist eine Lösung ist eine Lösung – ob Putin sie akzeptiert, oder nicht. Was uns dieser „Verteidigungsexperte“ hier sagen will, ist, dass wir auf keinen Fall eine Lösung finden dürfen, wenn Putin diese akzeptabel fände. Denn das wäre das Ende des Konflikts. Allenfalls Lösungen, die Putin nicht akzeptabel findet, wären akzeptabel... Das hält das Bedrohungslevel aufrecht und steigert den Bedarf an Verteidigungsexperten.
Update 04.04.2025: Passend zu meiner Aussage, dass man sich auf die USA nicht mehr verlassen kann und deshalb mehr Geld für Waffen in die USA schiebt: Das ist einigen Politikern wohl auch aufgefallen, daher gibt es Initiativen, die darauf abzielen, dass die EU-Staaten eher europäische Waffen kaufen sollten. Das wiederum gefällt der US-Regierung unter Trump wohl gar nicht. Allein daran kann man sehen, dass das der richtige Zug ist.
Ich wäre ja dafür, dass man die unsinnigen Intellectual Property-Bestimmungen der USA für ungültig erklärt. Die EU sollte HP verpflichten, auch Druckpatronen anderer Hersteller auf seinen Druckern zuzulassen, und den Traktorhersteller Deere gegen Androhung horrender Strafzahlungen zwingen, auch andere Service-Anbieter zuzulassen. Die Umgehung der technischen Vorkehrungen, mit denen die Hersteller Konkurrenten um die Serviceleistungen vom Markt ausschließen wollen, sollte ausdrücklich straffrei sein.
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1 Unter anderem Alice Weidel, Spitzenkandidatin der ach so friedensbewegten AfD kann sich das sehr gut vorstellen.
2 Nach der nochmaligen Durchsicht dieses Beitrags steht mir noch klarer vor Augen, wie sehr sich die Europäer zum Stück Brot gemacht haben. Das alles hätte vermieden werden können, wenn sich nach dem Fall des Eisernen Vorhangs eine starke Achse Berlin-Paris-Moskau gebildet hätte. Dann hätte der Krieg in der Ukraine möglicherweise nie begonnen. Und wenn, dann wären die Europäer die Gesprächspartner Nr. 1 für Friedensverhandlungen gewesen.
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