Die volle Härte des Gesetzes

Samstag, 18.05.2024

Mirko Matytschak

Mitglieder der „Letzten Generation“ haben sich mal wieder festgeklebt. Diesmal am Münchner Flughafen, der dann für einige Stunden gesperrt war. Das ist ärgerlich. Aber es gibt etwas, das mich mehr aufregt.

Was mich mehr aufregt, als die Aktion der Klimakleber, ist die Forderung nach der vollen Härte des Gesetzes.

Ich dachte ursprünglich, dass diese Phrase von einem Volldeppen stammt, bis ich gelesen habe, dass der Spruch von einem Politiker geäußert wurde:

CSU-Generalsekretär Martin Huber forderte: "Volle Härte des Rechtsstaats gegenüber diesen Klima-Chaoten."

Bevor Ihr Euch jetzt zurücklehnt und sagt: „Der ist halt einfach ein bisserl …“ – Stop! Sag’s nicht. Wir wollen ja nicht das Gesprächsklima überhitzen, wenn schon das Klima ziemlich zur Hitze tendiert.

Wir erklären Herrn Huber den Rechtsstaat

Natürlich weiß ich, worauf Ihr raus wollt. Ihr wollt sagen, dass der Herr Huber doch spätestens bei seinem Einbürgerungstest hätte lernen müssen, dass ein Rechtsstaat auf dem Recht basiert.

In dem Zusammenhang wird von den Lehrern auch gerne erklärt, warum Justitia eine Augenbinde trägt. Das ist ein Symbol, das eine Bedeutung hat. Nämlich, dass die Richter als Vertreter der Justiz ohne Ansehen der Person oder sonstiger äußerer Umstände einzig basierend auf der Faktenlage und dem geltenden Gesetz Recht sprechen sollen.

Um es noch klarer zu formulieren: Es hat die Justiz nicht zu interessieren, was der Herr Huber fordert oder eine rachsüchtige Meute schreit.

Das Gesetz ist weder hart noch weich, es ist einfach das Gesetz.

Das ist die Grundlage eines Rechtsstaats, und nicht die populistische Forderung irgendwelcher Politiker.

Wo kämen wir da hin, wenn die „volle Härte des Gesetzes“ nur die Demonstranten träfe, die ein wenig über das Ziel hinaus schießen, während Cum-Ex-Akteure, die den Staat um Milliarden betrogen haben, die „volle Weichheit des Gesetzes“ erfahren, weil sie auf die Unterstützung durch hochrangige Politiker rechnen dürfen?

Der Rechtsstaat funktioniert in der Theorie wie folgt: Die Aktivisten werden von den Organen der Justiz verfolgt und von einem Richter verurteilt. Alles, was man dafür braucht, ist bereits vorhanden. Wir haben die Polizei, wir haben Staatsanwälte und wir haben Richter, die das Geschehen völlig unaufgeregt in die Hand nehmen könnten1.

Wer hält hier wen für blöd?

Nachdem wir das geklärt haben, stellt sich die Frage, ob der Herr Huber das nicht besser weiß oder ob er nur so tut. Und an dieser Stelle wiederhole ich ein weiteres Mal meine Warnung: Lasst Euch nicht dazu hinreißen, solche Politiker für dumm zu halten.

Es ist genau umgekehrt. Der Herr Huber spricht so, weil er die Adressaten seiner Äußerung für dumm hält. Und das ist der Punkt, auf den ich hinaus will:

Die Gesellschaft starrt kollektiv auf die „Gefahr von Rechts“, die durch die AfD entsteht, und merkt nicht, dass Vertreter aller Parteien, die sich gerade so schön als Verfechter der echten Demokratie gerieren, durch populistische Sprüche in derselben Beklopptheit auffallen, die auch die AfD auszeichnet, und in einer Spirale der Gesetzesverschärfung dem Krakeelen einer rachsüchtigen Meute entsprechen, und auf diese Weise die Reste dessen opfern, was von unserem Rechtsstaat übrig ist.

Wenn Frau Faeser faselt,

Die Täter müssen konsequent verfolgt werden

hilft nur eins: Eine konsequente Absage an Politiker, die glauben, dass die Mehrheit der Wähler zu dieser bekloppten Meute gehört. Blöd sind Populisten nämlich erst dann, wenn ihre Rechnung nicht aufgeht.

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1 Wenn da nicht der Umstand wäre, dass Polizei und Staatsanwaltschaft weisungsgebunden sind, was in der Praxis häufig zu Rechtsbeugungen wie bei Pimmelgate führt. Das ist nur ein Beispiel dafür, dass Politiker in hohem Maß Einfluss auf die Tendenzen in der Strafverfolgung nehmen und damit bestimmen, was verfolgt wird und was nicht.

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