Die Rüstungs-Parasiten haben Oberwasser

Freitag, 25.02.2022

Mirko Matytschak

Der Angriff Russlands auf die Ukraine gibt den Leuten, die schon immer mehr Ausgaben für Rüstung fordern, Gelegenheit, Ihre Forderungen zu vertiefen. Aber ihre Begründungen zeigen, dass dieselben Leute zu den Totalversagern gehören.

Wer da nicht alles aus seinen Löchern kommt, ist fast nicht zu glauben. Leute, von denen der Normalbürger jahrelang nichts hört, sind auf einmal in den Medien vertreten, zusammen mit denen, die jede Gelegenheit nutzen, um von sich hören zu lassen. Und die Meinung, die sie verbreiten, ist einhellig:

Die Liste könnte ich durch die gesamte Medienlandschaft hindurch fortsetzen. Das sind nur die ersten paar Google-Treffer, die man innerhalb von 2 Minuten sammeln kann.

Wir brauchen mehr Geld

Die Argumentation geht immer in die gleiche Richtung: Deutschland muss mehr Geld für „Verteidigung“ ausgeben, sollte endlich seinen „Verpflichtungen“ in der NATO nachkommen, 2% des BIP für Rüstung ausgeben, etc. Was 2% des BIP sind, habe ich hier einmal vorgerechnet.

Es wird der Eindruck hinterlassen, dass es der Bundeswehr an den simpelsten Gegenständen fehlt, dass kaum ein Hubschrauber funktionstüchtig ist, dass sie an Mangelwirtschaft leide; letzteres eine geschickte Anspielung auf die Mangelwirtschaft des Ostblocks.

Was geben wir für Rüstung aus?

Der angeblich desolate Zustand der Bundeswehr liegt doch bestimmt daran, dass wir so wenig Geld für Rüstung ausgeben, oder wie ist das? Wieviel geben wir denn eigentlich für Rüstung aus? Ein Blick in die Statistik gibt uns Aufschluss: Für 2021 waren 46,9 Milliarden Euro für Rüstung im Bundeshaushalt vorgesehen. Das sind 9,4% des gesamten Haushalts von 498,6 Milliarden Euro. Das ist eine wahnwitzige Summe.

Eigentlich müssen wir auch noch die Sonderausgaben wegen Corona abziehen. Das ist die Entwicklung des Bundeshaushalts von 2018-2024 (nach Forecasts):

Linear hochgerechnet landen wir bei einem realen Haushalt von 380 Mrd. Euro für 2021. 46,9 Mrd. Euro für Rüstung sind also 12% unserer Gesamtausgaben.

Was die Bundeswehr bei wem für welchen Preis bestellt, ist alles andere als transparent. Geheimnis, Sie wissen schon… Wenn in einem Bereich des Haushalts so viel Geld unterwegs ist, sind sicherlich jede Menge Lobbyisten unterwegs, die dafür sorgen, dass das Geld bei den „richtigen“ Empfängern ankommt. Und es sind bestimmt jede Menge Leute unterwegs, die für eine Vermittlung im Stile von „Frau Hohlmaier empfiehlt“ ihre Provisionen kassieren. Ganz abgesehen von den Beratern, die auch noch ihr Schärfchen abbekommen müssen.

Wenn so viel Geld unterwegs ist, gibt es sehr viele Parasiten, die sich davon ernähren wollen. Und die sind natürlich interessiert daran, dass das mehr wird.

Anders kann ich mir nicht vorstellen, wie es kommen kann, dass wir trotz der gigantischen Summen, die wir Jahr für Jahr in die Rüstung pumpen, gegenüber Russland quasi im Hemd dastehen sollen.

Nun gut, die geben bestimmt eine gigantisch höhere Summe für Rüstung aus, oder? Wieviel eigentlich? Es waren im Jahr 2020 61,7 Mrd. US-Dollar, das sind 55 Mrd. Euro. Vergleichen wir das mal mit der NATO: 2020 gaben die Mitgliedsstaaten der NATO insgesamt 1.028 Mrd. $ aus, das sind 918 Mrd. Euro.

Was ist das Problem?

Und wir sollen ein Problem mit Russland haben? Echt jetzt?

Wenn dem wirklich so ist, hätten wir vielleicht russische Waffen kaufen sollen, die scheinen um einiges günstiger zu sein, als das Zeug, das wir für die Bundeswehr gekauft haben. Und die russischen Waffen funktionieren augenscheinlich, wie man beim Einmarsch in die Ukraine gesehen hat. Und man hört auch keinen Russen über schlecht ausgerüstete Truppen jammern.

Also was läuft da schief? Deutschland gibt alleine 85% des Betrags für Rüstung aus, den Russland als „Feind“ für sein Militär ausgibt, und dieser Beitrag soll zu wenig sein?!? In einem Verteidigungsbündnis, dessen gesammelte Rüstungsausgaben satte 1669% der russischen betragen? (Für Nicht-Prozentrechner: knapp das 17-fache.)

Versagen auf der ganzen Linie

Verdammt, Leute, wenn Ihr für so viel Geld keine Truppe zusammenbekommt, die den Russen ernsthaft entgegengestellt werden könnte, dann habt Ihr versagt!

Dann müssen wir dafür sorgen, dass Leute wie Frau von der Leyen und AKK nie wieder ein ernst zu nehmendes politisches Amt bekleiden dürfen, denn sie waren verantwortlich für das Desaster. Und dann können wir gleich stante pede den Generalinspekteur der Bundeswehr, die Leitung des Beschaffungsamts und die Wehrbeauftragte, die in dem einen Artikel vor sich hinjammert, entlassen.

Und dann müssen die Medien mal aufräumen, und jeden Kommentator, der ins gleiche Horn gestoßen hat, für ein Jahr ins Archiv strafversetzen, damit die mal lernen, mit Fakten umzugehen.

Und wenn ihr dann alle, die gejammert haben, nach Hause geschickt habt, dann könnt Ihr anfangen, mit dem Geld etwas Sinnvolles zu unternehmen. Zum Beispiel Fortbildungen in internationaler Diplomatie, Kapitel 1: "Wie halte ich mein Wort".

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Update: Nein, dieser Artikel ist nicht so gemeint, dass ich eine höhere Effizienz bei der Anschaffung von Rüstungsgütern einfordere. Rüstung und Abschreckung sind immer eine schlechte Idee und jeder ausgegebene Euro dafür ist verschwendet.

Nach dem Ende des kalten Kriegs war die NATO mehr oder weniger überflüssig. Ein riesiger Haufen Geld, der eine Menge Industrien und ihren Hofstaat gefüttert hat, hätte für andere Zwecke verwendet werden können und wäre für den militärisch-industriellen Komplex verloren gewesen.

Die Antwort darauf war der fortgesetzte Beweis der Notwendigkeit von Rüstung und Abschreckung. Eine zielgerichtete Politik der Bedrohung Russlands unter Ausweitung des NATO-Einflussbereichs hat dazu geführt, dass Russland die Krim annektiert hat. Auf diese Weise hat man eifrig nachgeholfen, die eigene Prophezeihung, dass wir auch weiterhin ein starkes Verteidungsbündnis brauchen werden, zu erfüllen.

Um dieses Rad weiter drehen zu können, sind sich die Militärs und Verteidigungspolitiker nicht zu schade, sich selbst als Versager hinzustellen.

Update 27.02.: Die Rüstungsparasiten haben ihr Ziel erreicht. Mehr als 1/4 unseres Haushalts soll 2022 zusätzlich in Rüstung fließen. Dadurch wird die Welt sicherlich ein besserer Ort werden.

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