Der Panthersprung nach Taiwan

Dienstag, 10.09.2024

Mirko Matytschak

Im Rahmen der neuen deutschen Bellizismus-Welle schickt unsere Zeitenwende-Regierung eine Fregatte in die Straße nach Taiwan. Es werden Erinnerungen geweckt.

In einer völlig überflüssigen Aktion schickt Deutschland eine Fregatte in die Straße von Taiwan. Das ist der Seeweg zwischen China und Taiwan. Wie auch immer man zum Anspruch Chinas auf Taiwan stehen mag, können sich die Befehlshaber der Marine an fünf Fingern ausrechnen, dass sie mit der Aktion die chinesische Führung provozieren.

Und – oh Wunder: die chinesische Führung fühlt sich provoziert. Wenn die Angelegenheit nicht so ernst wäre, könnte man sie als Kindergarten abtun. Aber dann wäre es vielleicht diplomatisch klüger gewesen, die Gorch Fock nach Taiwan zu schicken.

Nicht, dass das irgendeinen praktischen Unterschied machen würde, aber die Symbolwirkung würde klarer zutage treten: Der militärische Zwergpinscher Deutschland pisst der Weltmacht China ans Bein. Wohlgemerkt: Das mit dem Zwergpinscher wächst nicht auf meinem Mist, sondern spiegelt die Meinung derjenigen wider, die glauben, dass Deutschland mit Rüstungsausgaben von 90 Mrd. Euro (2024) nicht verteidigungsfähig sei.

Die ganze Aktion erinnert fatal an den Panthersprung nach Agadir, und wir wissen alle, wohin das geführt hat: nämlich in den 1. Weltkrieg. Die Geschichte wiederholt sich allerdings nicht immer exakt, und daher gibt es bei aller Gemeinsamkeit des Größenwahns, mit dem hier agiert wird, zwei Unterschiede:

  1. Deutschland war 1911 tatsächlich zu einer Großmacht herangewachsen, unter anderem durch die Bündnispolitik Bismarcks, in der die Achse Paris-Berlin-Petersburg eine große Rolle spielte. Heute würde ich Deutschland nicht als Großmacht einstufen.
  2. Wilhelm II handelte damals im Sinn seines eigenen Größenwahns und nicht im Größenwahn, der dadurch entsteht, dass man sich im Schutz einer anderen Großmacht wähnt, für die man im vorauseilenden Gehorsam herumstänkert. Ich erinnere mich, dass die USA schon einmal einen Politiker zum Stänkern ermutigt haben. Das war Saddam Hussein, der meinte, dass die USA es gut heißen würden, wenn er den Iran angreift. Wie wir wissen, nahm das kein gutes Ende, unter anderem deswegen, weil die USA nicht nur dem Irak, sondern auch dem Iran Waffen lieferte.

Wie schon im Fall des Ukrainekriegs nimmt unsere Regierung mit dieser Fregattenaktion ganz klar eine Position ein, in der sie das Hegemoniebestreben der USA gegen andere Mächte vertritt, und Deutschland somit ohne Not  zum militärisch strategischen Ziel der Länder macht, die die amerikanische Hegemonie brechen wollen.

Ich kann verstehen, dass es hierzulande politische Strömungen gibt, die darauf pochen, dass die deutsche Politik sich wieder mehr an den Interessen Deutschlands ausrichtet – was auch immer die sich darunter vorstellen. Für mich gehört zu diesen Interessen die Vermeidung kriegerischer Auseinandersetzungen genauso, wie eine kluge Diplomatie ­– im Gegensatz zum Gepolter einer angeblich feministischen Außenpolitik.

Ich kann nicht verstehen, dass diese Forderungen einem rechtsnationalen Mob überlassen werden, während vernünftige Personen, die sie in den politischen Diskurs einbringen wollen, als Werkzeug Moskaus oder Pekings beschimpft werden.

Dieser Wahnsinn könnte uns noch teuer zu stehen kommen.

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