Wie steht es eigentlich um Julian Assange?

Sonntag, 11.02.2024

Mirko Matytschak

Die deutsche Bundesregierung hat über das Auswärtige Amt und deren Chefin, Außenministerin Annalena Baerbock eine klare und unmissverständliche Aufforderung an die britische Regierung gerichtet, dass Julian Assange freigelassen und die einer Folter gleichkommende Haft beendet werden soll.

Die Aussage von Frau Baerbock ist an Klarheit nicht zu überbieten und gibt einen klaren Einblick in die Menschenrechtssituation rund um den Prozess gegen Assange. Ich zitiere:

Wir verfolgen den Umgang mit Wikileaks und Julian Assange sehr aufmerksam und setzen uns bei der Bundesregierung mit Nachdruck dafür ein, dass sie sich die jeweiligen Regierungen klar für die Einhaltung seiner grundlegenden Menschenrechte aussprechen. Aufgrund schwerwiegender Verstöße gegen grundlegende Freiheitsrechte der Europäischen Menschenrechtskonvention im Umgang mit Julian Assange – allen voran gegen das Verbot von Folter (Art. 3), gegen das Recht auf Freiheit und Sicherheit (Art. 5), gegen das Recht auf ein faires Verfahren (Art. 6) und gegen das Recht, keine Strafe ohne Gesetz zu erhalten (Art. 7) – schließen wir uns der Resolution der Parlamentarischen Versammlung des Europarates vom 27. Januar 2020 sowie dem Appell des UN-Sonderbeauftragten Nils Melzer an und fordern die sofortige Freilassung von Julian Assange.

Das ist tatsächlich ein Zitat von Annalena Baerbock, aber leider aus einem Zeitraum des Wahlkampfs. Jetzt ist sie viel zu sehr mit der Kriegsführung beschäftigt, als dass sie Zeit für Lappalien wie eine freie und kritische Presse erübrigen könnte.

Die Fraktion „Die Linke“ hat im vergangenen November eine kleine Anfrage an die Bundesregierung gerichtet. Die Antwort auf diese Anfrage ist – bei aller gebotenen diplomatischen Vorsicht – ein Armutszeugnis.

Die Antwort enthält zunächst einmal eine ziemlich lange Einleitung mit einer Vorbemerkung der Fragesteller. Die könnt Ihr getrost überspringen oder bei Interesse später lesen. Interessant wird es ab Seite 3, wenn die nummerierten Fragen beginnen.

Die Fragen geben einen sehr guten Überblick über das Verfahren gegen Assange und seine Situation aus der Perspektive der Menschenrechte. Schon daher lohnt die Lektüre.

Kein Interesse an freiem Journalismus

Die Antworten der Bundesregierung sind ein einziges Armutszeugnis. Die meist genutzten Floskeln sind:

Zu laufenden Verfahren äußert sich die Bundesregierung grundsätzlich nicht.

und

Der Bundesregierung liegen keine eigenen Erkenntnisse im Sinne der Frage-
stellung vor.

Vergleicht das einmal mit den Verlautbarungen gegenüber der ungarischen Regierung mit Orban und der vergangenen polnischen PiS-Regierung, wo man versucht hat, mit allen Mitteln, die der EU zur Verfügung stehen, eine Änderung der politischen Entscheidungen herbeizuführen, die die Demokratie dort in Gefahr brachten.

Ein Vertrauen in Willkürjustiz wie gegenüber Großbritannien lässt sich im Umgang mit diesen Ländern nicht erkennen, obwohl mir noch kein Beispiel eines Verfahrens in Ungarn oder Polen zu Ohren gekommen ist, in dem auf einer derart dünnen Grundlage mit derart unmenschlicher Brutalität verfahren wird.

Die Antworten auf die Anfrage zeigen ganz offensichtlich, dass es der Bundesregierung unangenehm ist, sich überhaupt zu dem Thema zu äußern. Nicht, weil man vielleicht durch eine konkretere Aussage wichtige Partner der transatlantischen Machtpolitik verstimmen könnte.

Nein, es ist schlimmer: Die Frage, ob in der so genannten westlichen Wertegemeinschaft Journalisten durch willkürliche Verfahren eingeschüchtert werden, interessiert sie schlichtweg nicht.

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Update: Wie es um ihn steht, könnt Ihr zum Beispiel hier nachlesen.

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