Das Versprechen zur Osterweiterung...

Samstag, 26.02.2022

Mirko Matytschak

...war ein Versprecher. Oder es wurde nicht Russland, sondern der Sowjeunion gegeben. Es bezog sich nicht auf Europa, sondern auf Deutschland. Und überhaupt gibt es hier nichts zu sehen.

Ich finde die Diskussionen darüber, ob tatsächlich versprochen wurde, dass es keine NATO-Osterweiterung geben wird, höchst interessant. Unter anderem deshalb, weil man beim Googeln über dieses Thema einen Block von nahezu gleichlautenden Verlautbarungen aus der gesammelten deutschem Presse bzw. der großen Medien erhält. Dieser Aspekt der Diskussion scheint jemanden zu beunruhigen und deshalb finden wir auch überall Stellungnahmen dazu:

Es gibt nichts zu sehen hier, bitte weitergehen!

Der Zwei plus Vier-Vertrag

Die Kontroverse, ob da ein Versprechen gegeben worden ist, oder nicht, lässt sich auch auf Wikipedia ganz gut nachlesen. Es ist interessant, wie hier versucht wird, den Eindruck zu erwecken, dass es bei den Gesprächen nicht um die NATO-Osterweiterung gegangen sei. Natürlich ging es um die Osterweiterung. Wie hätte es in den Gesprächen nicht um dieses Thema gehen können?

Aber der Vertrag war ein Vertrag zwischen den Siegermächten des 2. Weltkriegs und den beiden deutschen Staaten. Der Gegenstand des Vertrags konnte gar nicht die NATO sein, weil ein solcher Vertrag von allen NATO-Staaten ratifiziert hätte werden müssen. Die hätten dann an den Verhandlungen teilnehmen müssen, etc. pp.

Eine zusätzliche Vereinbarung zwischen den Staaten des Warschauer Pakts und denen der NATO wäre theoretisch denkbar gewesen, aber praktisch nicht realisierbar. Überhaupt wäre ein solcher Vertrag nach dem Ende des Warschauer Pakts ohnehin wertlos.

Also blieb es bei mündlichen Zusicherungen und alle Beteiligten wussten: Wenn es darauf ankommt, wird man sich auf diese Zusicherungen nicht verlassen können.

Dass über die Beziehung eines vereinigten Deutschlands zur NATO gesprochen wurde, hat sich im Vertrag niedergeschlagen. Ich zitiere aus der Wikipedia*:

  • Das vereinigte Deutschland bekräftigt sein Bekenntnis zum Frieden und verzichtet auf atomare, biologische und chemische Waffen.
  • Die Truppenstärke der deutschen Streitkräfte wird von weit über 500.000 auf 370.000 Mann reduziert und beschränkt.
  • Kernwaffen und ausländische Truppen dürfen auf ostdeutschem Gebiet nicht stationiert oder dorthin verlegt werden; damit ist Ostdeutschland eine atomwaffenfreie Zone. In einem weiteren pactum de contrahendo verpflichtet sich Deutschland, [entsprechende] Verträge mit den Mächten zu schließen, die Truppen in Deutschland stationiert haben.

Text in eckigen Klammern von mir. Dem Sinn nach ergeben die Punkte ganz klar die Absicht, keine zusätzliche Bedrohung zu schaffen. Aber es stimmt: Eine Osterweiterung der NATO wurde nie vertraglich ausgeschlossen.

Was heißt das jetzt?

Ich sag's mal so: Wladimir Putin ist kein Depp. Der führt keinen Krieg wegen eines gebrochenen Versprechens, sondern weil seine gesamte Schwarzmeerflotte wertlos ist, wenn die Ukraine unter den Einfluss der NATO fällt.

Die Amerikaner sind auch keine Deppen und werden wissen, dass Putin zum Erhalt dieser strategischen Stellung bis zum Äußersten gehen wird. Und nun testen sie aus, wie weit dieses Äußerste geht. Und so gesehen fragt man sich natürlich, ob das wirklich stimmt, dass die keine Deppen sind?

Innerhalb eines geschlossenen Wahngebildes der gegenseitigen Abschreckung und der geostrategischen Spiele mag das Vorgehen beider Seiten rational sein. Es wirkt wie ein Schachspiel. Aber dieses Schachspiel ist kein Spiel. Es hat massive Konsequenzen für die Bevölkerung aller beteiligten Länder.

Von außen betrachtet ist dieses Spiel mit der militärischen Bedrohung eine gigantische Idiotie. Von beiden Seiten.

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* Das versuche ich normalerweise zu vermeiden, aber in dem Fall habe ich einfach die Zeit nicht, den Vertrag selbst durchzulesen. Die Darstellung der Kontroverse in Wikipedia ist fast witzig. Das Bonmot der ungewollt humoristischen Aussagen ist dieser Satz:

Zu ähnlichen Ergebnissen kommt auch der Schweizer Politikwissenschaftler Christian Nünlist: Genscher habe sich in Tutzing nur auf die DDR bezogen und später seine Meinung geändert.

Besser kann man es nicht sagen.

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