Varoufakis in München
Donnerstag, 14.01.2016
Ich bin spontan zu einer Veranstaltung gegangen, auf der Yanis Varoufakis gesprochen hat. Moderiert wurde die Veranstaltung von Münchens Ex-OB Ude. Die SZ schreibt, Ude hätte Varoufakis überrumpelt – und noch ein paar andere interessante Details, die mich zum Grübeln bringen: Gab es wirklich zwei Veranstaltungen mit Ude und Varoufakis an einem Tag?
Die SZ veröffentlicht einen Artikel, der wahrscheinlich schon vor der Veranstaltung geschrieben worden ist. Er wurde einfach nur mit ein paar Details des Abends garniert, aber die Richtung war von vorneherein klar.
Wie ich darauf komme? Ganz einfach: Ich war dabei.
Stimmt: Ude hat die Veranstaltung in seiner sehr humorvollen Art moderiert. Er entschuldigte sich auf sehr nette Weise für sein Englisch und verlor dann ein paar Worte darüber, warum die Veranstaltung doch eine gewisse Summe Geldes gekostet hat. Er meinte sinngemäß, der Veranstalter* führe hier eine Tradition fort, die von deutschen Finanzministern der SPD eingeführt worden sei.
Um genau zu sein, spielte er auf die 25.000,- EUR Honorar für einen Vortrag von Peer Steinbrück an.
Weil der Eintrittspreis in der gesamten Presse so prominent diskutiert wurde, hier kurz die Fakten: Der Saal in der Muffathalle war in 15 Reihen x 25 Plätzen bestuhlt, das macht 375 Plätze. Im Vorverkauf kosteten die Tickets 24,10 EUR, die Veranstaltung war ausverkauft. Macht nach Abzug der Vorverkaufsgebühr gut 7.000,- EUR für den Veranstalter. Der hat ein paar Kosten, die er aus den Eintrittsgeldern bestreiten muss. Als Ex-Veranstalter von Konferenzen kann ich sagen, dass allerhöchstens 3.500 EUR für Herrn Varoufakis übrig blieben. Sei's ihm gegönnt.
Der Vortrag von Varoufakis war eher langweilig. Das mag der blumigen Ausdrucksweise geschuldet sein und der Tatsache, dass er sich die Fakten für später aufgehoben hat.
Nämlich für den interessanten Teil der Veranstaltung: Ude stellte Fragen, die im Wortlaut und der Denkweise den Tenor der deutschen Presse zum Thema Schuldenkrise und Griechenland wiedergaben. Dabei machte Ude keinen Hehl daraus, dass er diese Fragen quasi als kabarettistische Aufarbeitung der Phase verstand, in der Griechenland mit der Eurogruppe verhandelte. Um es auch für den letzten Teilnehmer im Raum klar zu machen, wie es gemeint war, sagte er am Schluss noch, Varoufakis wisse, dass er (Ude) nicht so dumm sei wie seine Fragen, er hätte Varoufakis nur provozieren wollen.
Varoufakis seinerseits nahm die Fragen auf und beantwortete sie mit bemerkenswerter Klarheit. Dabei wurden ein paar Dinge klar:
- Die griechische Regierung hatte durchaus konkrete Pläne, wie die Schuldenkrise gelöst werden könne. Diese Pläne erläuterte er noch einmal kurz und äußerte sich auch zum Thema Realisierbarkeit.
- Die Eurogruppe hatte keinen realisierbaren Plan. Man sagte Varoufakis unverblümt, dass es nicht darauf ankomme, ob die Kombination aus Reformen und Hilfspaketen, die Griechenland hätte unterschreiben sollen, funktioniere. Es komme nur darauf an, dass die Vereinbarungen die Märkte beruhigten.
- Zu den vielzitierten "Hausaufgaben", die die Griechen zu machen gehabt hätten, gehörte eine Steuerreform, die den griechischen Staat mehr Einnahmen bringen sollte. Varoufakis stellte fest, dass die Regelung der Umsatzsteuer in Griechenland dazu führte, dass praktisch niemand mehr Steuern zahlte. Er hatte vor, ähnlich wie in Deutschland zwei Steuersätze für die Umsatzsteuer einzuführen. Er wollte dafür sorgen, dass die Umsatzsteuer auf mehr Akzeptanz stößt, weil man nicht von heute auf morgen eine flächendeckende Kontrolle aufbauen könne. Verbunden mit der Senkung des Steuersatzes waren ein paar Änderungen, die es dem Staat erleichtert hätten, die Steuern großer Firmen leichter und sicherer einzutreiben. Er hatte konkrete Zahlen vorliegen, die den sofortigen Effekt dieser Reform unterstrichen hätten. Er sagte, er hätte sich mit einem der Unterhändler der Eurogruppe darauf geeinigt, dass diese Steuerreform als Teil der von Griechenland geforderten Reformen akzeptiert werde. Als er dann zu den Verhandlungen nach Brüssel kam, wollte man ihn auf die alten Steuersätze festnageln. So war es leider nicht vereinbart, weshalb die Vereinbarung platzte.
- Er brachte noch ein paar weitere konkrete Beispiele, wie die Eurogruppe einmal getroffene Vereinbarungen durch Änderungen der Lesart oder veränderte Fakten in den Protokollen wieder zu Fall brachte. Sein Fazit: Man war an einer Lösung nicht interessiert.
Ich könnte die Liste verlängern, aber sie soll fürs erste ausreichen, um zu zeigen, dass schon damals nicht alles so gelaufen zu sein scheint, wie es hierzulande in der Presse dargestellt wurde. Nun schreibt die Süddeutsche:
Ude schaut erkennbar skeptisch.
Ich habe es anders erlebt. Zu meiner Überraschung hat Ude sehr häufig auf Varoufakis' Darlegungen zustimmend mit dem Kopf genickt. Das war überhaupt die Grundstimmung der ganzen Veranstaltung: Wohlwollende Freundlichkeit und ein Interesse, einmal die Sicht der anderen Seite hören.
Da kann die Süddeutsche von Ude etwas lernen.
___
* Veranstalter war, soweit ich es verstanden habe, die Muffathalle
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