Die Insolvenz der Kommunikation

Freitag, 09.09.2022

Mirko Matytschak

Die Grünen bestimmen den Tonfall, in dem die Regierung sich gegenwärtig äußert. Und dabei zeichnen sie sich nicht unbedingt durch großes Geschick aus. Oder erscheint es uns nur so, als seien die Äußerungen ungeschickt?

Hat Frau Baerbock tatsächlich „Kriegsmüdigkeit“ gemeint, als sie „Fatigue“ gesagt hat? Wir werden es wohl nie erfahren. Aber was wir von ihr erfahren, ist, dass es ihr Ziel ist, Russland zu ruinieren. Dass dies justament durch „Sanktionen“ geschehen soll, die Russland bereichern und breite Teile unserer Bevölkerung in die Armut treiben, ist geschenkt.

Und dann kommt der Herr Habeck daher, und will die Tatsache, dass Russland uns den Gashahn zudreht, als Erfolg verkaufen: „Wir sind vom russischen Gas unabhängig!“, behauptet er mit breiter Brust. Ich weiß nicht, wie er sich den Begriff „Unabhängigkeit“ vorstellt. Aber die Tatsache, dass gerade massenweise Betriebe vor der Insolvenz stehen, weil sie sich die Gaspreise nicht leisten können, ist kein Zeichen für Unabhängigkeit. Wir haben preisgünstiges Gas von Russland bezogen und unsere Regierung hat nichts unversucht gelassen, um Russland dazu zu bringen, die Gaslieferungen einzustellen. Die Folge ist, dass wir teures Gas auf dem freien Markt einkaufen müssen. Ist das Unabhängigkeit?

Ach, richtig, die Betriebe gehen ja gar nicht in Insolvenz. Sie hören einfach auf, zu produzieren und können später wieder anfangen. Das ist nicht etwa die Äußerung einer an mentaler Retardierung leidenden Person. Das ist die Äußerung des Wirtschaftsministers der Bundesrepublik Deutschland. Die Betriebe hören einfach für eine Weile zu produzieren auf. In der Zwischenzeit gibt es halt keine Brötchen. Wovon die Betriebe in der Zeit die Löhne, die Miete und sonstige laufende Kosten tragen sollen, kann sich der geneigte Leser selbst ausdenken.

Das Wirtschaftsministerium springt seinem Minister bei und präzisiert seine Aussage:

Der Minister habe lediglich „den wichtigen Unterschied“ zwischen Insolvenzen und Betriebsaufgaben deutlich machen wollen…

Schön, dass wir das mal geklärt haben. Hier muss ich einmal der Frau Wagenknecht Recht geben, die meint, dass wir die dümmste Regierung Europas haben.

Wie können solche Pannen in der Kommunikation passieren? Was läuft in den Köpfen der grünen Politiker ab, wenn sie einen solchen Klopper nach dem anderen bringen? Die einzig sinnvolle Erklärung dafür scheint mir, dass sie so sehr von ihrem Ziel in Beschlag genommen sind, dass ihnen sprichwörtlich egal ist, wie die Menschen in unserem Land das aufnehmen.

Das Ziel ist, einen möglichst breiten Keil zwischen Deutschland und Russland zu treiben, mit Handlungen, die eine möglichst unumkehrbare Situation schaffen. Damit machen sie Deutschland wieder zum Musterland des amerikanischen Imperialismus. Dass der Großteil der deutschen Bevölkerung davon gravierende Nachteile hat, nehmen sie sehenden Auges in Kauf. Das ist der Grund, warum sie so schlecht vorbereitet auf Nachfragen erscheinen: Dass die Menschen leiden, ist ihnen egal.

Unabhängigkeit vom Gas

Ich möchte noch einmal auf die Frage der Abhängigkeit vom russischen Gas zurückkommen. Es war seinerzeit sicherlich eine gute Idee, Nord Stream 1 zu bauen. Aber es gab schon damals Kritik daran in Deutschland. Man hätte beizeiten Alternativen bereitstellen müssen, zum Beispiel durch Weiterverfolgung des Nabucco-Projekts. Vielleicht erinnert sich jemand daran, dass sich damals ein gewisser Joschka Fischer für die Pipeline stark machte.

Außer Herrn Fischer hat es in Deutschland wohl niemanden gegeben, den die Unabhängigkeit von russischem Gas irgendwie interessiert hätte. Das kann sich vor allem die Union hinter die Ohren schreiben, die jetzt der Regierung das Fiasko vorwirft, obwohl sie 16 Jahre Regierungszeit durch Untätigkeit in diesem Bereich verschwendet hat.

Aber man kann nicht hergehen, und innerhalb weniger Monate Tatsachen schaffen, durch die das Gas in kürzester Zeit um ein Mehrfaches teurer wird. Und dann noch behaupten, man hätte die Unabhängigkeit geschafft. Und dann kommen noch Leute daher, die behaupten, wir müssen sowieso vom Gas weg, weil es doch ein fossiler Brennstoff ist.

Das ist alles recht und schön, aber zynisch, wenn es in so kurzer Zeit passiert, ohne dass eine tatsächliche Notwendigkeit vorliegt. In der Ukraine stirbt nämlich keine Person weniger, wenn wir weiterhin von Russland Gas beziehen.

Was nötig ist, das ist eine Politik, die sich zehn Jahre Zeit nimmt, um den Umbau des Energiemarktes voranzutreiben. Dann hätte sich die Abhängigkeit vom russischen Gas und solchem anderer Herkunft möglicherweise erledigt. Zehn Jahre ist immer noch ein sportlicher Zeitraum, aus meiner Sicht das Minimum, das man den Unternehmen zur Anpassung lassen muss.

Was haben wir erreicht?

Eine solch längerfristige Umstellung wäre in meinen Augen ein sinnvolles Ziel für eine Regierung unter grüner Beteiligung gewesen. Aber das ist nicht das Ziel. Das Ziel ist es, in der Ukraine ein zweites Afghanistan zu schaffen, während man die Bevölkerung glauben lässt, dieser Krieg gegen Russland sei zu gewinnen. Und das Ziel ist es, Russland mit allen Mitteln zu schwächen und eine mögliche Zusammenarbeit zwischen den westeuropäischen Ländern mit Russland zu verunmöglichen. Dieses Ziel ist erreicht.

Was bleibt, ist das Fiasko und die Insolvenz der Kommunikation, wenn es darum geht, das alles schön zu reden.

 

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