Was heißt hier Wissenschaft?

Donnerstag, 10.03.2016

Mirko Matytschak

Ich hatte gerade vor kurzem über Medienkompetenz geschrieben, und dabei auch Fefe’s Blog erwähnt. Ich hatte aber nicht gesagt, dass wenn ein Blog interessante Beiträge hat, automatisch alle Beiträge des Blogs gut sind. Das gilt natürlich auch für meinen Blog. Also: prüft verschiedene Quellen. Macht Euch schlau. Hätte Fefe das getan, hätte das hier nicht passieren können. Es gibt auch eine weitere Möglichkeit: Einfach mal nichts schreiben.

Hilfe, eine Bombe!

Man hat also einen Kunststoff-Zylinder gefunden, der an Orgonit erinnert, und für eine Bombe gehalten. Man kann sich jetzt an den Kopf fassen, und sich fragen, ob denn jetzt jeder herumliegende Gegenstand für eine Bombe gehalten werden muss? Wie wär’s damit, dass Deutschland sich von der „Assad muss weg“-Doktrin der USA und gleich auch noch aus dem sinnlosen Krieg gegen den IS verabschiedet? Man hätte einen Schritt zur Lösung der Flüchtlingskrise getan und könnte die Bombenangst in Deutschland ein Stück weit dämpfen.

Das steht bei Fefe nicht, sondern da steht, dass solch esoterischer Kram uns jetzt auch noch Geld in Form von Bombenalarm kostet. Von Orgonit geht’s weiter zu Orgon und Wilhelm Reich, indem er die Textpassage „aus der Esoterik“ mit einem Link hinterlegt, der zum Wikipedia-Eintrag über Wilhelm Reich führt.

Orgonit oder Orgon?

Was nicht da steht, ist, dass „Orgonit“ zwar bewusst an das Reich’sche Orgon anklingt, aber mit Reich’s Forschungen nichts zu tun hat. Also: Reich hat das Orgonit weder erfunden, noch entdeckt.

Das ist aber eh egal, es geht ja dem Fefe nur um den „Eso-Kram“, verbreitet von „Eso-Spinnern“. Dass so ein „Eso-Spinner“ nicht einen vernichtenden Wikipedia-Eintrag erhält, liegt seiner Darstellung nach daran, dass

die Wikipedia jetzt von so Esoterik-Fachkräften unterwandert [ist], nachdem die Blockwarte die Wissenschaftler weggeekelt haben.

Was heißt hier Wissenschaft?

Da wäre jetzt mal zu prüfen, wer hier überhaupt was als Wissenschaft bezeichnet. Das Wort „Wissenschaft“ hat nämlich in den letzten Jahren eine Begriffswandlung erlebt, die auch dem Fefe nicht entgangen sein wird. Mit „Wissenschaft“ werden heute Maßnahmen zur Steuerung der politischen Meinungsbildung durch sogenannte „Studien“ bezeichnet, die von der Wirtschaft finanziert werden.

Beispiel gefällig? Die Pharmaindustrie zahlt pro Jahr 100 Millionen Euro an Ärzte für sogenannte Studien.

Hat da jemand noch Zeit, zu erforschen, auf welchem Weg sich psychische Phänomene auf den Körper auswirken können? Das ist eh unwissenschaftlich? Stimmt: nach der neuen Bedeutung des Begriffs Wissenschaft wird nach Pillen Ausschau gehalten, welche die körperlichen Symptome eliminieren können. Dazu betreibt man dann Hirnforschung mit der zugehörigen Pharmakologie.

Dass da nichts rauskommt, ist egal. Hauptsache, es ist anerkannte Wissenschaft. Denn es gilt für Forschende, ihren Ruf zu wahren. Und der wird zerstört, wenn man sich mit den falschen Dingen beschäftigt.

Das Geld bestimmt, worüber geforscht wird

Der genannte Wilhelm Reich hat sich als Leiter des technischen Seminars der Wiener psychoanalytischen Vereinigung die oben genannte Frage vorgelegt. Seine Erkenntnis ist in aller Kürze, dass das, was wir als „psychisch“ bezeichnen, auf körperlichen Phänomenen basiert (Emotion und Panzerung), die sich sehr gut nachweisen lassen. Nachzulesen in Reich‘s Buch „Charakteranalyse“. Soweit steht Reich auf gesichertem Boden. Er machte dort aber nicht Halt, sondern versuchte, die gefundenen Erkenntnisse auf ein biologisches Fundament zu stellen. Seine Versuche führten zu zwei Eckpfeilern seiner weiteren Arbeit:

  • In einem wissenschaftlich reproduzierbaren Versuch erzeugt er aus toter Materie Kleinstlebewesen. Die Nährlösung mit den Kleinstlebewesen, die er „Bione“ nennt, sendet eine Strahlung aus, die zu Augenreizungen bei allen am Versuch beteiligten Personen führt. Er lässt die Strahlung an der Uni in Oslo untersuchen, ohne Ergebnis. Will heißen: Es kann keine bis dato (Mitte dreißiger Jahre) bekannte Strahlung festgestellt werden.
  • Er nimmt an, dass emotionale Reaktionen mit dem Fluss einer spezifisch biologischen Energie im Körper zu tun haben und richtet seine therapeutische Arbeit auf den Fluss der Energie im Körper aus.

Man kann nun die Sache mit der spezifisch biologischen Energie in Frage stellen. Aber die daraus abgeleitete Therapiemethode ist nach meiner Erfahrung effektiv. Ich arbeite nämlich damit. Sie ist die Grundlage für nahezu alle körperorientierten Therapieverfahren. Die meisten Therapeuten, die nach Reich solche Verfahren anwandten, verstehen allerdings den Fluss der Energie im Körper als Modell, mit dem sich arbeiten lässt, und weniger als tatsächlich vorhandene Energieform.

Kann das nicht mal einer nachprüfen?

Um das beurteilen zu können, müsste jemand einmal Geld in die Hand nehmen, und die Versuche Reichs, unter anderem beschrieben in seinem Buch „Der Krebs“, nachvollziehen. Aber von wem soll dieses Geld stammen? Wissen wird in diesen Tagen ausschließlich zum Zweck des Profits erworben. Ich kann keine Ausnahme entdecken, außer Privatpersonen, die finanziell nicht besonders üppig ausgestattet sind.

In Deutschland gab es zum Beispiel den mittlerweile verstorbenen Heiko Lassek, der sich mit der Anwendung der von Reich beschriebenen Verfahren an Krebspatienten beschäftigte.

Lasseks Artikel zeigt sehr gut, dass es sich bei Reich’s Erkenntnissen nicht um eine esoterische Heilslehre handelt, sondern um einen Ansatz, dessen Weiterverfolgung lohnenswert erscheint – und lohnenswert heißt hier nicht profitabel in Form von Geld gegen Pillen.

Dass viele Personen, die sich mit Reichs Werk beschäftigten, so eine Art Reich-Kirche mit etlichen konkurrierenden Strömungen um sich aufbauten, ist ein lästiges Phänomen, das die Sache an sich jedoch nicht beeinträchtigen sollte. Ebensowenig, wie irgendwelche Erfindungen, die sich auf Reich beziehen, aber nicht auf Reichs Erkenntnissen basieren. Da wäre Orgonit nur ein Beispiel von vielen. 

Sagen wir es so: Vor Einstein gab es eine Menge Esoteriker, die von der vierten Dimension geschwafelt haben. Deswegen sind Einsteins Erkenntnisse über die vierte Dimension nicht automatisch Unsinn. Oder habe ich was verpasst?

Wikipedia und Wissenschaft

Was die „Blockwarte“ der Wikipedia anbetrifft (O-Ton Fefe), so wundert mich, dass diese den Artikel über Wilhelm Reich nicht schon lange mit Verunglimpfungen durchsetzt haben. Die Wikipedia ist eine gute Quelle, solange man im Bereich der „anerkannten“ Wissenschaften bleibt, also in einem Bereich, der der profitorientierten Forschung nicht in die Quere kommt. Sobald eine Erkenntnis davon abweicht, wird sie häufig in der Wikipedia zur Minna gemacht.

Ich müsste mein Weltverständnis grundlegend ändern, wenn sich herausstellen sollte, dass die Pharma- oder Atomindustrie, die Autohersteller und Energieversorger nicht versuchen würden, Einträge in Wikipedia zu ihren Gunsten zu verändern, also zum Beispiel durch Passagen in Beiträgen über Alternativmedizin, die nahelegen, dass es sich dabei um Mumpitz handelt.

Dabei spielt ihnen die völlige Intransparenz von Wikipedia in die Karten. Was in bestimmten Einträgen steht oder nicht, ist offensichtlich der Willkür von Sichtern und Administratoren überlassen. Einträge über Personen können falsche „Fakten“ oder Verleumdungen enthalten und es ist völlig folgenfrei, weil die betroffene Person rechtlich nicht dagegen vorgehen kann. Wen dieses Thema näher interessiert, der kann sich den Beitrag über „die dunkle Seite der Wikipedia“ ansehen.

Der Tipp der Woche ist also: Quellen prüfen, lesen und manchmal auch einfach mal stillhalten.

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